In synthetischem Diamant können absichtlich Verunreinigungen in Form von Stickstoff-Fehlstellen („NV-Zentren“) eingebracht werden. Diese haben ein Spektrum an faszinierenden Eigenschaften und eröffnen die Möglichkeiten, Sensorik damit zu betreiben. NV-Zentren sind optisch aktiv und werden deshalb auch Farbzentren genannt. Mit Hilfe dieser NV-Zentren können schon bei Raumtemperatur physikalische Effekte beobachtet werden, die ausschließlich durch quantenphysikalische Ansätze beschreibbar sind. Zudem kann der Zustand der NV-Zentren optisch stimuliert und ausgelesen werden.
NV-Zentren im Diamantkristall erlangten im Bereich der Quantensensorik bereits verbreitete Akzeptanz. Doch echte Sensorelemente basierend auf NV-Zentren für industrielle Anwendungen sind bisher am Markt höchstens als Prototypen erhältlich. Gründe dafür sind vielschichtig.
(1) Diamantmaterialeigenschaften und -verfügbarkeit:
Diamant mit NV-Zentren als essentielles Sensorbestandteil wird von nur wenigen kommerziellen Anbietern angeboten. Diese sind in den Geometrien eingeschränkt, haben oftmals unattraktive Preise und lange Lieferfristen. In vielen Fällen ist zudem unklar, welche spezifischen Materialkenngrößen im Diamanten überhaupt relevant sind. Zu diesen zählt beispielsweise die Dichte an NV-Zentren und damit korrelierte Größen wie die Kohärenzzeiten, aber auch sonstige Verunreinigungen.
(2) Sensoreigenschaften:
NV-Zentren in Diamant optisch zu adressieren und auszulesen wurde bereits durch eine Vielzahl von wissenschaftlichen Veröffentlichungen gezeigt und stellt keinen besonderes hohen technischen Anspruch dar. Neben dem Diamantmaterial mit NV-Zentren genügen grundsätzlich ein Laserpointer, ein Filter und eine Fotodiode. Einen Sensor zu designen und aufzubauen, der spezifische physikalische Größen (u.a. Magnetismus und verknüpft elektrische Stromdichte, Temperatur, mechanischen Druck) reproduzierbar qualitativ und quantitativ misst, ist dagegen herausfordernd. Speziell auch dann, wenn miniaturisierte Sensoraufbauten von Interesse sind, hergestellt mit industriell verfügbaren Verfahren.
(3) Verknüpfung von Diamantmaterial- und Sensoreigenschaften:
Aufgrund der Variantenvielfalt möglicher Anwendungsfälle allein im Bereich der Sensorik ist eine Pauschalisierung von Diamantmaterialeigenschaften nach dem Motto „Viel hilft viel“ nicht praktikabel. Es gilt beispielsweise abzuwägen, welches sensorische Volumen notwendig ist: Ein großes Volumen enthält eine größere Anzahl von NV-Zentren wodurch die Fluoreszenzsignalstärke und damit das Signal-Rauschverhältnis erhöht ist, allerdings auf Kosten geringerer lateraler Auflösung. Kosteneffizientere Diamantmaterialien wie industriell gefertigte HPHT-Diamantkristalle bieten hohe NV-Dichten, sind allerdings lokal nicht homogen dotiert, im Gegensatz zu solchen aus der Gasphase gewachsenen Diamantschichten. Anwendungsspezifisch muss eine Optimierung der Diamantmaterialien an die gewünschte Sensoreigenschaft erfolgen.
Diese Gründe (1)…(3) stehen beispielhaft für das Problem, das neue Materialien zum Markteintritt haben: Es sind Wegbereiter -Konsortien aus Industrie und Wissenschaft- notwendig, die Diamantmaterialien im Hinblick auf Materialeigenschaften, Verarbeitbarkeit oder Anwendungsszenarien testen und so auch auf ein kostenattraktives Produkt hinarbeiten. In DiaQuantFab wurden Arbeiten genau mit dieser Zielsetzung erfolgreich durchgeführt: Über die gesamte Prozesskette hinweg wurden verschiedene Diamantmaterialien getestet, Diamant gezielt in den Eigenschaften wie NV-Dichte manipuliert und in spezifische Demonstratoren eingesetzt worden. Begleitet wurden diese Entwicklungen von umfänglichen Charakterisierungen und der Entwicklung von Messmethoden.
Eine dieser Anwendungen war die Bestimmung von magnetischen Feldern: Durch die Änderung des Spin-Zustands von NV-Zentren durch ein äußeres Magnetfeld ändert sich deren Fluoreszenzsignal. Damit kann auf die Stärke des äußeren Magnetfelds bzw. in direkter Korrelation eine Stromstärke geschlossen werden. Es wurden drei Demonstratoren für industriell relevante Applikationen (weiter-)entwickelt: Jeweils ein Magnetfeldsensorsystem für die Positionssensorik und die Rasterkraftmikroskopie, sowie ein auf einem ähnlichen Funktionsprinzip basierendes Amperemeter.
Im Ergebnis des Projekts wurden u.a. entwickelt,
- ein Bearbeitungsverfahren mit hohem Durchsatz für industriell gefertigte einkristalline HPHT-Diamantmaterialien, die eine hohe NV-Dichte, eine {111}-Orientierung und ein Kostenpotential <4 € haben,
- eine industrialisierbare, miniaturisierte Strahler-Empfängereinheit mit integriertem Diamantplättchen geeignet für empfindliche Magnetfeldmessungen im Nullfeld und als Amperemeter mit einer Kantenlänge von 10×10 mm²,
- ein Positionssensor für die Auslese von magnetisch kodierten Maßbändern mit zwei bzw. vier Kanälen,
- dünne CVD-synthetisierte Diamantschichten mit NV-Zentren in nur einer Kristallorientierung,
- die Methodenentwicklung zur Stabilisierung von NV-Zentren mit Hilfe von Ladungen.
In der Folge von DiaQuantFab soll kosteneffizientes Diamantmaterial an den Markt gebracht, sowie weitere bilaterale und auch öffentlich geförderte Forschungsprojekte initiiert werden. Man darf gespannt sein, ob die gewonnenen Erkenntnisse über die Chancen und Grenzen der Quantentechnologie zu weiteren neuen Produktideen und -entwicklungen bei den Industriepartnern führen werden.
Die Partner:
- Balluff GmbH (Neuhausen a.d.F.): Sensor- und Automatisierungsspezialist
- CiS Forschungsinstitut für Mikrosensorik (Erfurt): Si-basierte Sensorik & Forschungstransfer
- Diamond Materials GmbH (Freiburg i.Brsg.): Hersteller hochreiner CVD-Diamantscheiben
- nano analytik GmbH (Ilmenau): Hersteller verschiedener Rastersonden-Technologien
- Universität Leipzig (Prof. J. Meijer): FG für Festkörperphysik, Manipulation von Diamant
- Universität Stuttgart (Prof. J. Wrachtrup): 3. Physikalisches Institut, NV-basierte Sensorik
- Universität Ulm (Prof. F. Jelezko): Quantenoptik und Diamantwachstum
Koordinator für das Projekt war das CiS Forschungsinstitut.
Über das Verbundhaben:
Über dreieinhalb Jahre hinweg hat das Projektteam im BMBF-Verbundvorhaben „DiaQuantFab“ Diamantmaterialien für industrielle Anwendungen untersucht und optische Mikrosensorsysteme basierend auf NV-Zentren in Diamant entwickelt. Das Projekt endete zum 30. November 2022. Es wurde ein ganzheitlicher Ansatz entlang der Wertschöpfungskette hinweg von der Diamantherstellung und -manipulation bis hin zum fertigen Sensorsystem gewählt. Die ausgewählten Sensorsysteme waren Magnetfeldsensoren für die Anwendungsbereiche Positionsmesstechnik, Rastersondenmikroskopie sowie Strommessung. Im Projektkonsortium waren Balluff GmbH (Neuhausen a.d.F.), Diamond Materials GmbH (Freiburg i.Brsg.), nano analytik GmbH (Ilmenau), Universität Leipzig (Prof. J. Meijer), Universität Stuttgart (Prof. J. Wrachtrup), Universität Ulm (Prof. F. Jelezko) sowie das CiS Forschungsinstitut für Mikrosensorik (Erfurt), durch welches das Verbundprojekt auch koordiniert wurde.
Gefördert durch:
Das Verbundprojekt „DiaQuantFab – Standardisierungen in der Herstellung und Verarbeitung von Quantenmaterialien am Beispiel von NV-Farbzentren in Diamant zur Realisierung eines hochpräzisen auf Quanteneffekten beruhenden Amperemeters“ wurde durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Call „Schlüsseltechnologien für die Quantensensorik“ zur Förderung ausgewählt
FKZ: 13N14984
HPHT-Diamantplättchen mit hoher NV-Dichte, Dicke ca. 300 µm
Miniaturisierte Strahler-Empfängereinheit mit integriertem Diamant, als empfindliches Nullfeld-Magnetometer oder Amperemeter
Hybrid durchgeführtes Abschlusstreffen, durchgeführt bei Balluff GmbH
Online-Teilnehmer des hybriden Abschlusstreffens
Partner im Verbundprojekt