Vor mehr als 100 Jahren entwickelte der italienische Forscher Scipione Riva-Rocci eine Methode zur Bestimmung des Blutdrucks mittels einer pneumatischen Armmanschette. Auch heute ist dieses Verfahren noch Standard in der Gesundheitspraxis. Mediziner wissen natürlich um ihre Nachteile; es ist nur eine zeitlich punktuelle Messung möglich und das Ergebnis kann bis zu 15% Toleranz fehlerbehaftet sein, was unter anderem durch inhärente physiologische Variationen dieses Vitalparameters bedingt ist. Eine Langzeit-Blutdrucküberwachung ist darüber hinaus unangenehm für den Patienten und einschränkend im Alltag.
Das CiS Forschungsinstitut für Mikrosensorik arbeitet seit mehr als 10 Jahren an der Entwicklung von photoplethysmographischen Sensoren zur kontinuierlichen Messung von Vitalparametern, wie Herzfrequenz, Herzratenvariabilität und Blutsauerstoffsättigung. Jüngstes Ergebnis ist ein miniaturisierter Sensor, der im Ohr außerdem noch den Blutdruck überwacht.
Die Herzratenvariabilität (HRV) ist ein Maß für die gesamte Anpassungsfähigkeit eines Organismus und damit eine wesentliche Kernaussage über die Gesundheit eines Menschen.
Die Messung der Blutsauerstoffsättigung (SpO2) hat aktuell an Bedeutung gewonnen, wird sie doch als Frühindikator für eine COVID-19 (SARS-CoV-2) Erkrankung bewertet.
Unbehandelter oder nicht gut behandelter Bluthochdruck kann zu Folgeerkrankungen wie beispielsweise Schlaganfall, Herzinfarkt oder Nierenschwäche führen.
Gerätehersteller und Wissenschaftler aus verschiedenen medizinischen Teildisziplinen können die bisher erreichten Ergebnissen nutzen und mit dem Know-how aus dem CiS Forschungsinstitut neue Produkte entwickeln oder mit bisher nicht möglichen Funktionen ausstatten.
Neuester Trend sind Wearables mit Gesundheitsfunktionen, wie Smartphones, Smart Watches und In-Ear-Kopfhörer. „Gerade für Letztere sieht das CiS Forschungsinstitut großes Potenzial, eignen sich diese doch hervorragend zur Integration unserer Ohrsensoren“, so der verantwortliche Geschäftsfeldleiter Dr. Martin Schädel. „Das Ohr ist ein perfekter Messort. Es ist immer gut durchblutet, ganz im Gegensatz zum Finger. Schlechte Perfusion bedeutet schlechte Signale. Zudem liefert die Messung im Ohr wesentlich schneller Informationen zu kritischen Zustandsänderungen. In der Medizin entscheiden häufig Sekunden.“, so Schädel weiter.
Die PPG-Sensoren bestehen aus einem optoelektronischen Modul, welches in einer Otoplastik eingebaut wird und für den individuellen hohen Tragekomfort sorgt. Das Modul selbst ist ein hybrider Multichip, der mehrere LEDs und Photodioden enthält. Ansteuer- und Auswerteelektronik sind nicht integriert; bereitgestellt werden analoge Rohsignale. Diese Schnittstelle bietet industriellen Anwendern die Möglichkeit der Nutzung proprietärer Elektronikkomponenten und Software.
Die Bestimmung der Blutsauerstoffsättigung (SpO2-Wert) basiert auf dem Verhältnis der Absorption von rotem und infrarotem Licht im Blut, welches von der Sauerstoffsättigung abhängig ist. Daher werden zwei LEDs unterschiedlicher Wellenlängen benötigt. Der Puls kann im Gegensatz dazu unter Ausnutzung einer einzelnen LED ermittelt werden.
Das mikrooptische Modul nutzt einen speziellen Algorithmus für die Pulskonturanalyse und Bestimmung der Pulswellengeschwindigkeit, mit deren Hilfe schließlich Blutdruckänderungen erkannt werden können. Für dieses Verfahren erhielt das CiS Forschungsinstitut kürzlich ein Europäisches Patent.
Partner aus der Industrie können darauf aufbauen. Neben Anwendungen in der Herz-Kreislaufdiagnostik gibt es bereits vielversprechende Studienergebnisse aus der Schlafmedizin zur Erkennung von obstruktiven Apnoen (kurzzeitiger Atemstillstand), der Flugmedizin zur Überwachung von Stressbelastungen bei Piloten, in der Leistungsdiagnostik sowie der personalisierten Medizin bei der Wirksamkeitsanalyse von Arzneimitteln. Das Potenzial als nichtinvasive Technik für das Blutdruck-Monitoring wurde kürzlich bei einem Vergleich mit einer Herz-Kathetermessung belegt.